Diese Frage stellte Peter Offermann, Journalist und Vorstandsmitglied bei Jung und Parkinson e.V. den Parkinsonspezialisten Prof. Dr. Rejko Krüger und Prof. Dr. Dirk Woitalla.
Peter Offermann: Herr Professor Dr. Krüger, was ist Parkinson?
Prof. Dr. Rejko Krüger: Parkinson ist eine Bewegungsstörung. Es ist typischerweise eine Verlangsamung von Bewegungen oder ein Zittern, welches man bemerkt. Das ist das augenscheinliche und so wurde die Krankheit auch durch den namensgebenden Mediziner, James Parkinson, beschrieben. Aber auch schon zu dieser Zeit hat man festgestellt, dass Symptome zu dieser Krankheit dazugehören, die man nicht auf den ersten Blick erkennt. Schluckstörungen und Verstopfung zum Beispiel, was wir Mediziner als die „nicht-motorischen“ Symptome beschreiben. Des Weiteren gehören ein eingeschränkter, schwindender Geruchssinn, Verstimmungen in Form von Depressionen und in einigen Fällen auch eine gewisse Vergesslichkeit dazu, was aber erst in den letzten Jahren aufgefallen ist.
Peter Offermann: Sie meinen Vergesslichkeit in Form von Demenz? Oder reine Gedächtnisstörungen?
Prof. Dr. Rejko Krüger: Gedächtnisstörungen, die sich in einigen Fällen zu einer Demenz weiterentwickeln können. In früheren Jahren hat man die These aufgestellt: Entweder man hat Alzheimer oder Parkinson. Wir kennen jedoch in einzelnen Formen auch Subgruppen. Das ist, was wir in den letzten Jahren gelernt haben und was auch im Moment Gegenstand der Forschung ist. Wir scheren hier nicht mehr über einen Kamm und sagen: Das ist Parkinson. Es gibt eine Untergruppe, die auch Demenz entwickeln kann. Und es gibt eine Untergruppe die im Laufe der Jahre sehr geringe Veränderungen zeigt. Das sind vor allem die jungen Parkinson-Patienten. Es gibt wiederum Patienten, die fast ausschließlich Zittern. Diese haben in der Regel ebenfalls einen eher gutartigen Verlauf. Dann gibt es Patienten, die von Anfang an eher steif sind und erst in späteren Lebensjahren erkranken. Ich denke jedoch, dass es wohl 50 Typen geben wird, die alle möglicherweise eine unterschiedliche Therapie benötigen.
Peter Offermann: Und was sind die Ursachen? Warum erkranken Menschen an Parkinson?
Prof. Dr. Rejko Krüger: Die eindeutigste Ursache die uns bekannt ist – und das sind bei weitem nicht alle – sind erbliche Faktoren. Zu meiner Studienzeit habe ich beispielsweise noch lernen müssen, wenn es mehrere Erkrankte in einer Familie gibt, dann handelt es sich nicht um Parkinson. Das stimmt nach heutigem Stand der Forschung nicht mehr. Wir kennen Familien, in denen Parkinson vererbt wird und wir konnten in den letzten Jahren beobachten, dass es inzwischen mehr als 20 Gene gibt, von denen wir wissen, dass deren Mutationen Parkinson auslösen können. Das ist sehr selten, denn alle genetischen Formen, die uns bekannt sind, machen ungefähr 10 Prozent der Parkinson-Patienten aus. Aber, das war ein ganz wichtiger Einstieg in die Forschung und so haben wir damals, zu meiner Bochumer Zeit, auch die weltweit zweite Mutation für Parkinson entdeckt. Dieses Eiweiß, welches von diesem Gen produziert wird, ist genau das Eiweiß, was bei allen Parkinson-Patienten im Gehirn verklumpt. Im Prinzip hat man hier mit einer selten genetischen Form des Parkinsons einen Mechanismus entdeckt, der bei allen Patienten eine Rolle spielt und somit auch zu einer neuartigen Therapie geführt hat. Das wird gerade noch untersucht. Eine Impfung gegen dieses Eiweiß. Obwohl es bei einer Untergruppe gefunden wurde, könnte dies vielen Patienten zu Gute kommen. Das ist etwas, was die Zukunft der Forschung leiten wird. Die Ursachen verstehen und neue Behandlungsmethoden entwickeln.
Peter Offermann: Stichwort Behandlungsmethoden. Welches sind die gängigsten? Oder gibt es hier gravierende Unterschiede? Sie sprachen ja von 50 unterschiedlichen Parkinson-Typen.
Prof. Dr. Rejko Krüger: Das ist tatsächlich im Moment das Problem. Die fehlende individuelle Behandlung. Man hat Standardtherapien, welche darauf abzielen, die Symptome zu kontrollieren. Und diese sind für alle Patienten primär gleich. Sie sind auch recht effektiv, da es gelingt die Symptome recht gut zu unterdrücken. Das ist auch noch nicht lange der Fall. Vielen ist nicht bewusst, dass die ersten Medikamente erst in den 1970ern verabreicht wurden. Dennoch sind wir der Meinung, dass wir künftig noch zielführendere Medikamente brauchen und vor allem Medikamente, die in der Lage sind, in den Verlauf der Krankheit eingreifen zu können. Im Prinzip gibt es derzeit nur ein Medikament auf dem Markt, von dem man der Meinung ist, dass es günstig in den Verlauf der Krankheit eingreifen könnte. Das hat eine große Studie mal gezeigt. Die amerikanische Zulassungsbehörde ist jedoch noch nicht davon überzeugt. Da müssen wir hinkommen, dass wir Substanzen finden, die das Voranschreiten der Erkrankung deutlich bremsen. Eine weitere Behandlungsmethode ist der sogenannte Hirnschrittmacher, mit der wir sehr gute, langjährige Erfahrungen gemacht haben. Wo wir aber auch wiederum sagen müssen, dass dies einer gewissen Untergruppe helfen kann, jedoch bei weitem nicht allen Parkinson-Patienten.
Peter Offermann: Wenn wir Parkinson-Patienten in der Praxis betrachten, so ist ja trotz medikamentöser Therapie der Tremor und die Versteifung, je nach Form, doch deutlich sichtbar. Wie würde es sich auswirken, wenn man die Medikamente weglässt?
Prof. Dr. Rejko Krüger: Das ist mitunter lebensbedrohlich. Das kann man nicht anders sagen. Im Prinzip ist es so, das ja im Rahmen der Parkinson-Erkrankung ein Botenstoff im Gehirn fehlt, das Dopamin. Dieser wird im Rahmen der medikamentösen Therapie ersetzt. Ein starker Mangel dieses Botenstoffs kann immer noch durch die Tabletten ausgeglichen werden. Wenn man diese jedoch weglässt – wir nennen das akinetische Krise, das ist eine Notfallsituation, die auch unwillkürlich passieren kann, wenn man als Patient während einer schweren Grippe beispielsweise die Einnahme der Medikamente vergisst – kann das sehr schwerwiegende Folgen haben. Deshalb sollte man die Medikamente möglichsProf. Fr. Dirk Woitallat regelmäßig nehmen und immer wieder an das Voranschreiten des Parkinson anpassen. Ich sage meinen Patienten bei der Erstdiagnose immer, dass man die meisten Patienten auf der Straße nicht erkennt. Die Symptome sind durch gute Einstellungen der Medikamente einfach schlicht unterdrückt. Es kommt immer darauf an100%, für das jeweilige Stadium den richtigen Ausgleich mit der Zugabe von Medikamenten zu schaffen. Eine chronische Therapie einer chronischen Krankheit, die auch immer wieder ein regelmäßiges Anpassen benötigt.
Peter Offermann: Parkinson ist ja längst keine reine Alterskrankheit mehr. Die Zahlen bei den unter 50jährigen schwanken zwischen 10 und 25 Prozent. Wie hoch ist der prozentuale Anteil gemäß Ihrer Forschungsergebnisse?
Prof. Fr. Dirk WoitallaProf. Dr. Rejko Krüger: Ich denke, die Patienten werden nicht unbedingt jünger, aber wir werden aufmerksamer. Das ist auch ein Punkt, dass wir bei der Behandlung einen deutlich höheren Anspruch an uns selber stellen. Ein Zittern wird nicht mehr einfach akzeptiert. Zum Glück. Das solche Dinge früher auffallen, das man früher forscht und früher schaut und die Diagnose – mein jüngster Patient war 25 – in früheren Jahren stellen kann. Das ist jedoch eher der geringere Anteil. Aus meinen Erfahrungen würde ich sagen, dass zwischen 10 und 20 Prozent vor dem 50sten Lebensjahr erkranken. Dieser Anteil ist jedoch sehr relevant, da dies Patienten sind, die in den allermeisten Fällen genetische Ursachen haben. In der Regel sagt man: Je jünger der Patient ist, desto häufiger liegt wohl eine erbliche Ursache für Parkinson vor. Das heißt dann nicht unbedingt, dass man das an die nächste Generation weitergibt. Im Gegenteil, das sind häufig rezessiv vererbte Erbgänge. Das heißt, man hat ein Gen sowohl von der Mutter als auch vom Vater bekommen und dadurch eine sehr ungünstige Konstellation. Das ist aber auch ein Weg, wie wir die Forschung voranbringen können. Durch die früh beginnende Parkinson-Erkrankung einen völlig neuen Mechanismus verstanden zu haben, bei dem die Kraftwerke der Zelle gestört sind, nicht mehr genug Energie in den Nervenzellen entstehen kann und dadurch die Nervenzellen geschwächt sind. Erste Pilotstudien zielen darauf ab, die Zelle zu stabilisieren und ihr verlorene Energie zurückzuführen. Ich denke, das wäre neben der Immunisierung auch wieder innovative Ansätze, bei denen wir in die Ursachen eingreifen können.
Peter Offermann: Sie sprachen ja gerade an, dass es bei jüngeren Patienten eher genetisch bedingte Ursachen sind. Was kann die Krankheit sonst noch auslösen? Gemäß mancher Studien steht beispielsweise Marcumar im Verdacht die Krankheit zu begünstigen. Wie weit sind hier die Forschungen vorangeschritten?
Prof. Dr. Rejko Krüger: Das ist meist der Punkt, dass es wenig harte Fakten gibt. Es tauchen immer wieder Zusammenhänge auf. Ich denke, ein Zusammenhang den kein Experte mehr bestreiten würde ist, dass Pestizide einen Einfluss haben können. Da gibt es aus der Vergangenheit sehr viele aussagekräftige Studien. In Frankreich ist die Parkinson-Krankheit beispielsweise bei Winzern als Berufskrankheit anerkannt, da diese einer hohen Pestizidbelastung ausgesetzt sind. Dann gibt es Assoziationen, die jedoch nicht erwiesen sind. Rauchen, dass hört man als Arzt nicht so gerne, ist anscheinend protektiv. Wobei mein Kollege Prof. Dr. Dirk Woitalla in seinen Vorträgen darauf hinweist, dass man gar nicht so viel rauchen könne um sich ausreichend vor Parkinson zu schützen. Und natürlich birgt das Rauchen selbst Gefahren mit Durchblutungsstörungen und Krebs. Es gibt auch die Hypothese, dass höhere Ursprungsspiegel an Dopamin, die eher anfällig für Suchtverhalten machen, dazu führen, dass man die kritische Schwelle zum Parkinson später oder gar nicht unterschreitet. Aber das sind Dinge die man zwar gefunden hat, aber harten Fakten nicht Stand halten. Ebenso die Geschichte mit dem Marcumar ist kein harter Fakt, sondernProf. Fr. Dirk Woitalla eher hypothetischer Natur.

Peter Offermann: Verhindern kann man es nicht? Bei anderen Krankheiten wird ja gerne eine gesunde Lebensweise oder Sport angeführt, um das Risiko zu minimieren.
Prof. Dr. Dirk Woitalla: Es ist Schicksal, ob man an Parkinson erkrankt oder nicht. Zumindest, wenn wir vom heutigen Stand der Forschung ausgehen.
Prof. Dr. Rejko Krüger: Wir forschen natürlich daran diese Faktoren zu identifizieren. Und vielleicht kommen wir hier auch zu Ergebnissen, die man nicht erwartet. Daher mag es verwundern, dass es noch nicht so viele Daten dazu gibt. Das ist sehr aufwendig. Wir haben gerade das Glück, dass in Luxemburg derzeit eine große Studie mit vielen Daten durchgeführt wird. Jedoch besteht hier ein Missverhältnis. Wir kennen zwar viele Gene, wissen jedoch nicht viel zu den Patienten. Außer Alter bei Diagnose, Geschlecht und ob es weitere Fälle in der Familie gibt, ist hier nicht viel bekannt. Wir können uns zwar vorstellen, dass es gewisse Anfälligkeitsprofile in uns gibt, die vielleicht durch Umweltfaktoren und durch Ernährung beeinflusst werden können. Aber das sind alles Hypothesen. Besser ist es, den Computer mit so vielen tatsächlich vorliegenden Daten zu füttern und hier Verknüpfungen zu erstellen. Man wundert sich wie effektiv so etwas sein kann.
Peter Offermann: Herr Prof. Dr. Woitalla, sie sagten es sei schicksalhaft, ob man an Parkinson erkrankt oder nicht. Der Verlauf der Krankheit, ist dieser auch schicksalhaft oder lässt er sich durch die Zusammenstellung der Medikamente beeinflussen?
Prof. Dr. Dirk Woitalla: Die Auswahl, sowie die Zusammenstellung der Medikamente sind am Anfang der Krankheit immens wichtig. Wenn hier die falschen Medikamente eingesetzt werden, kann der Patient auf einen Weg gebracht werden, der auch nicht mehr rückgängig zu machen ist. Daher entscheidet die Auswahl der Medikamente ein Stück weit auch den Verlauf der Krankheit mit. Es gibt so viele unterschiedliche Parkinson-Medikamente, da erfordert es schon eine gewisse Erfahrung, das richtige Präparat für den jeweiligen Patienten auszuwählen.
Prof. Dr. Rejko Krüger: Das ist der Hintergrund, weshalb man für jeden Zeitpunkt der Erkrankung die richtige und optimale Therapie finden sollte. Aus diesem Grund hat man in den Niederlanden ein Netzwerk für Parkinson gegründet bei dem verschiedene Berufsgruppen – nicht nur Ärzte, sondern auch Krankengymnasten, Patientenvereinigungen usw. – gemeinsam versuchen, gemäß bestimmter auf das jeweilige Stadium zugeschnittener Richtlinien, zu behandeln, damit man hier eben nichts falsch macht. Dazu gehört auch eine umfassende Patienteninformation. Das funktioniert dort recht gut.
Prof. Dr. Dirk Woitalla: Generell sollte man vielleicht anmerken, dass der Patient in den ersten fünf Jahren der Erkrankung einen absoluten Parkinson-Experten aufsuchen sollte. Auch, um sich zumindest einmal richtig beraten zu lassen, ob die Behandlung sowie die Medikation korrekt sind. Denn die Modelle aus anderen Ländern lassen sich aus verschiedensten Gründen nicht einfach so auf Deutschland übertragen.
Prof. Dr. Rejko Krüger: Es läuft auf das gleiche Prinzip hinaus. Es geht darum, dass auch die Ärzte kritische Mengen an Parkinson-Patienten behandeln. Es hilft nicht, wenn ein Arzt drei Parkinson-Patienten in den vergangenen zehn Jahren betreut hat. Es gibt so viele Sub-Typen, da ist sehr viel Erfahrung unabdingbar. Das heißt natürlich nicht, dass der Patient nicht weiter bei seinem behandelnden Hausarzt oder Neurologen betreut werden kann. Wichtig ist der Dialog zwischen den Ärzten – vom Hausarzt bis zum Experten.
Peter Offermann: Also liegt es an der Erfahrung des Arztes, der Einstellung der Therapie und die Aussage, dass es unterschiedliche Verlaufsformen oder Schweregrade der Krankheit gibt, stimmt in dieser Form nicht?
Prof. Dr. Dirk Woitalla: Doch, das schon. Das ist ja der Grund, weshalb man einen Experten aufsuchen sollte. Wenn jeder Patient nach einen bestimmten Schema behandelt werden könnte, wäre es sehr einfach. Da der Verlauf der Erkrankung jedoch so unterschiedlich ist und die Patienten verschiedenste Formen des Parkinson aufweisen, braucht man den Experten der bestimmt: Für dich ist Medikament A wichtig, für dich B und für dich C. Gleiches gilt natürlich auch für die Anpassung der Medikationen. Der Punkt der Variabilität der Krankheit ist äußerst behutsam und sehr genau zu betrachten. Ich bin ein Verfechter davon, nicht standardisiert heranzugehen. Nehmen wir zum Beispiel einmal die große Gruppe der Dopaminagonisten. Hier gibt es alleine zehn verschiedene Medikamente, von denen heutzutage in Deutschland nur noch vier zum Einsatz kommen. Diese vier Präparate unterscheiden sich jedoch wiederum erheblich in ihren Wirkungen. So ist entscheidend, ob der Patient eher unter einem Zittern, einer Versteifung, einer Halluzination oder einer Depressionen leidet. Gemäß dieses Bildes können dann die Agonisten zusammengestellt werden. Natürlich beeinflusst dies auch die Entscheidung, ob man in Kombination mit den Dopaminagonisten zusätzlich noch L-Dopa verabreicht.
Peter Offermann: Stichwort Halluzinationen. Sind diese durch die Demenz oder Parkinson bedingt?
Prof. Dr. Dirk Woitalla: Die Halluzinationen treten bei einem vorgeschädigten Gehirn, und bei entsprechender Neigung so etwas zu entwickeln, durch Hirnabbauprozesse auf. Dies heißt nicht, dass es bei jedem Parkinson-Patienten zu Halluzination kommen kann, sondern nur bei bestimmten Subgruppen. Man kann hierbei versuchen, diese durch bestimmte Medikamente positiv zu beeinflussen, was auf Dauer jedoch nicht gelingt, da diese häufig als Vorboten einer Demenz auftreten. Aber auch dies entwickelt nicht jeder Parkinson-Patient im Laufe seiner Erkrankung, denn Demenz ist kein typisches Symptom. Hier vermischen sich die Alzheimer- und die Parkinsonpathologie.
Peter Offermann: Vor einiger Zeit machte ein Video im Internet die Runde, in dem jemand behauptete, er sei von Parkinson geheilt worden. Die Krankheit gilt jedoch als unheilbar.
Prof. Dr. Dirk Woitalla: Hierzu habe ich persönlich eine ganz klare Meinung. Selbst Experten sind nie zu 100 Prozent sicher bei der Diagnosestellung. Die Diagnose-Sicherheit beträgt bei Parkinson etwa 85 Prozent. Wenn wir einem Patienten mitteilen: Sie sind an Parkinson erkrankt, ist eher gemeint, dass der Patient wahrscheinlich Parkinson hat. Hiernach setzt die Behandlung ein und wir überprüfen, ob sich das Krankheitsbild bessert. Manchmal irren wir und die Patienten leiden unter einer anderen Erkrankung, die Parkinsonähnliche-Symptome, wie beispielsweise das Zittern oder die Verlangsamung der Beweglichkeit aufweisen, die auch bei jedem Depressiven auftreten. Und wenn die eigentliche Krankheit, beispielsweise die Depression, ausgeheilt ist, dann verschwinden in aller Regel auch die Symptome. Dann kann man abschließend sagen: Sie leiden nicht unter einer Parkinson-Erkrankung. Wenn der Patient hingegen ein idiopathisches Parkinson-Syndrom hätte, dann verläuft diese Krankheit kontinuierlich weiter. Die Aussage des Betroffenen im Video ist definitiv nicht zutreffend, da seine Diagnose beziehungsweise der Verdacht auf Parkinson-Erkrankung nicht richtig war.
Prof. Dr. Rejko Krüger: Wenn es die typische Parkinson-Krankheit ist, dann ist die leider nicht heilbar. Insofern sind auch diverse Meldungen über neue Medikamente, die angeblich Parkinson heilen, mit äußerster Vorsicht zu genießen. Da rate ich all meinen Patienten intensiv davon ab, hier Geld zu investieren. Das ist nicht seriös, denn leider sind wir in der Forschung noch nicht soweit – aber weltweit wird daran geforscht und gearbeitet.
Peter Offermann: Wenn wir gerade an die jüngeren Patienten denken. Die Krankheit ist nicht heilbar, aber auch nicht tödlich. Wie wichtig ist gerade im Fall eines 25jährigen Patienten die seelische Unterstützung? Dieser muss schließlich die nächsten Jahrzehnte mit der Krankheit leben. Wie geht man hier als Therapeut vor?
Prof. Dr. Rejko Krüger: Das wird zukünftig immer wichtiger werden. Dadurch, dass wir höhere Ansprüche an uns selber stellen, diagnostizieren wir die Krankheit deutlich früher. Im Umkehrschluss sagen die Statistiken aus, dass viele Patienten nach fünf Jahren verrentet werden. Diese wollen jedoch in der Regel nicht in Rente, da sie in ihrem Beruf auch eine gewisse Erfüllung sehen. Hier muss dafür gesorgt werden, dass das private und berufliche Umfeld so eingestellt wird, dass man durch die Krankheit nicht so stigmatisiert wird, dass man sich zurückzieht, sondern im Gegenteil in seinem sozialen Leben aktiv sein kann. Und das beinhaltet nicht nur Medikamente sondern ein maßgeschneidertes Therapiekonzept. Dazu gehört neben dem Arzt eine gute Krankengymnastik, denn Bewegung kann den Verlauf sehr positiv beeinflussen. Dazu gehört auch die Sozialberatung zur Abstimmung des Arbeitsplatzes. Wenn ich beispielsweise am Computer arbeite brauche ich einen Ergotherapeuten um die Geschicklichkeit und Feinmotorik zu unterstützen. Das ist ganz individuell verschieden. Und aus meiner Sicht braucht es auch eine aktive Patientenvereinigung. Denn dort können Informationen ganz anders ausgetauscht werden, als zwischen Arzt und Patienten.
Prof. Dr. Dirk Woitalla: Ich würde noch hinzufügen, dass es sehr wichtig ist den Partner und die Angehörigen mit einzubinden. Denn die Krankheit betrifft beide. Und leider gibt es unser System nicht her, Zuwendungen an den Mitbetroffenen zu geben. Das wird leider nicht ausreichend gewürdigt.
Peter Offermann: Was macht die Forschung? Die Krankheit ist seit knapp 200 Jahren bekannt und immer noch nicht heilbar.
Prof. Dr. Rejko Krüger: Interessant ist ja immer zu sehen, dass man zwar einerseits denkt, dass hier nicht viel passiert ist. Auf der anderen Seite sind wir erst seit 40 Jahren überhaupt in der Lage die Symptome zu behandeln. Das sind schon sehr viele Fortschritte. Die Heilung ist noch nicht da und wir kProf. Dr. Dirk Woitalla:önnen hier auch noch keinen Zeitrahmen nennen. Ich denke, dass wir mittlerweile sehr viel verstanden haben. Die Genetik zum Beispiel, die als Baustein für neue Therapien dient. Oder die Immunisierung und gegebenenfalls die Impfung. Ich denke da ist sehr viel auf den Weg gebracht worden. Ich sehe das eigentlich sehr positiv, wenn man bedenkt, dass wir vor nicht einmal 20 Jahren kein einziges Gen kannten, das bei Parkinson eine Rolle spielt. Im Herbst wurde beim Parkinson-Kongress in Luxemburg die Studie vorgestellt, die die erste Impfung gegen das Eiweiß, welches dieses Gen bildet, durchgeführt. Wenn das positiv ausfällt ist das schon eine kleine Sensation.
Prof. Dr. Dirk Woitalla: Durch die Genetik haben wir die Eiweiße erkannt, die Parkinson verursachen. Um die Jahrtausendwende hat man erst verstanden, welche Eiweiße beteiligt sind. Jetzt muss man erst einmal ihre Funktion innerhalb der Zelle verstehen. Mit jeder neuen Mutation entdeckt man ein neues Eiweiß, wessen Hintergrund man noch nicht kennt. Das Verstehen dieser Eiweiß-Funktionen ist jedoch die Voraussetzung, sich erneut Gedanken zu machen, was in der Zelle überhaupt verkehrt läuft. Danach kann man erst überlegen, das fehlende Eiweiß zu unterstützen oder wie man ein überzähliges Eiweiß entsorgt. Bis 2000 beispielsweise machte man alleine die Toxine hierfür verantwortlich. Dann kam die Genetik. Und erst jetzt kommen beide, also äußere und innere Faktoren zusammen und sind für Parkinson verantwortlich. Das ist die eigentliche Erkenntnis der letzten fünf Jahre. Wenn man lange genug in der Forschung tätig ist, sieht man immer wieder, wie die Dinge sich ändern. Das ist ein wichtiger Erkenntnisansatz. Ein anderer wichtiger Aspekt ist der technologische Fortschritt, der uns heute ermöglicht, sehr viele Moleküle zu testen. Hierdurch sind wir in der Lage auch in die Zelle zu schauen um die Medikamente auch hier zu testen. Bislang arbeiteten wir nur an der Oberfläche, mit Ausnahme von L-Dopa, welches direkt in der Zelle wirkt und dort fehlende Stoffe ersetzt. Aber die Mechanismen, die dazu beitragen, dass die Eiweiße in der Zelle zerstört und abgetragen werden, da kommen wir nach momentanen Stand der Forschung noch nicht ran. Das beginnt jetzt erst langsam.
Peter Offermann: Bringt dann aber eher den künftigen Parkinson Patienten etwas oder auch den bereits Erkrankten?
Prof. Dr. Dirk Woitalla: Beiden. Vor allem jüngere werden davon profitieren. Ich bin mir ziemlich sicher: Wer heute im Alter von 50 Jahren erkrankt, wird noch in den Genuss von Therapie-Ansätzen kommen, die seinen Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und ändern können.
Peter Offermann: Ein schöner Satz, der Hoffnung macht. Wir bedanken uns für das interessante Gespräch!